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Humorlose Erklärung, warum ich aus Die PARTEI austrete

Scheitern13.01.2021

Martin Sonneborn ist deutsch, weiß, über 50, hat auf den unterschiedlichen sozialen Plattformen zusammen mehr als eine Million Follower, wird von seinen Fans angehimmelt und gehört zu den oberen 10 Prozent. Als Europaabgeordneter genießt er darüber hinaus unzählige Extra-Privilegien: Jackpot!

Ich weiß, wovon ich da rede, weil ich – bis aufs Alter – quasi in der gleichen, unverschämt privilegierten Situation bin. Auch wenn wir beide glücklicherweise weit davon entfernt sind, irgendwo an nennenswerte politische Ämter zu kommen, tragen wir in unseren Rollen Verantwortung. Ich finde, wenn wir schon aus strukturellen Gründen keine Veränderung der Verhältnisse schaffen können, sollten wir es wenigstens symbolisch versuchen.

Für mich geht es bei Martin Sonneborns Tweets von vergangener Woche weniger um eine Debatte über den Sinn und Zweck von Satire, sondern vielmehr um einen ignoranten Umgang mit Feedback. Wenn sich Menschen von seinen Postings rassistisch angegriffen fühlen, muss er nicht viel tun. Es reichen Mitgefühl und der Respekt vor den Betroffenen, um das eigene Verhalten zu korrigieren.

Wenn er der Kritik keinen Raum geben kann, den gesellschaftlichen Kontext (Rassismus, fortschreitender Rechtsruck) ausblendet, und beleidigt seine Machtposition ausnutzt, sobald Betroffene sich gegen Beleidigungen wehren und stattdessen den Schwerpunkt fälschlicherweise darauf legt, dass andere nur zu doof seien, seine Kunst zu verstehen, sich also selbst zum Opfer stilisiert, sollte er gehen, weil er aus der Zeit gefallen und am falschen Ort ist.

Ich habe vor einem Jahr vergeblich zu dieser Thematik mit ihm diskutiert und ihn vor einigen Tagen gebeten, über sein Posting nachzudenken und sich zu entschuldigen. Er hat es nicht gemacht. Das ist also kein Versehen, er will das eindeutig so.

Natürlich kann Martin Sonneborn Witze v e r s u c h e n, wie er will. Aber ich bin raus, wenn er kein Mitgefühl zeigt und weder versteht, wo oben und unten ist, noch, dass seine Verantwortung als Vorsitzender von Die PARTEI mit 50.000 Mitgliedern und zuletzt 900.000 Wähler*innen weit über das hinaus geht, was ein Titanic-Chefredakteur vor 20 Jahren können musste.

Ich finde seine Reaktion auf die Kritik falsch und inakzeptabel. Das ging mir in der Vergangenheit schon in anderen Fällen so. Daraus ziehe ich jetzt meine Konsequenzen.

Weil Die PARTEI in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem das Projekt von Martin Sonneborn ist, und ich dafür nicht weiter mein Gesicht hergeben will, habe ich eben mein Austrittsschreiben verschickt.

(Das schreckliche Mandat im EU-Parlament werde ich als PARTEI-Loser bis zum bitteren Ende ausführen. Ich könnte das Leid nicht verantworten, das ein*e Nachrücker*in statt meiner ertragen müsste.)

Danke an alle Engagierten in der PARTEI, dass ich mitmachen durfte. Viel Glück und tschüssi!
Nico